FineArt B&W

In der dunklen Jahreszeit bin ich weniger draußen zum Fotografieren und nutze die Zeit, um mich Themen zuzuwenden, die ich im Sommer weniger auf dem Schirm habe – die Bildbearbeitung.

Ganz besonders angetan bin ich von der Fine Art Black & White Architektur Fotografie, wie sie vom Holländer Joel Joel Tjintjelaar entwickelt wurde. Darüber geht es in diesem Beitrag.

Mein erstes Ergebnis

Am 28.12.23 habe ich mich das erste Mal auf den Weg gemacht, um meinem Vorbild Joel Tjintjelaar nachzueifern.

Der Opernturm in Frankfurt ist mein erstes Ergebnis – 84 Sekunden Belichtung, links im Bild sieht man die vorbeiziehenden Wolken, die nur noch als Spuren wahrzunehmen sind.

Man kann das Foto hier in voller Größe aufrufen.

FineArt Schwarz-Weiß-Fotografie von Joel Tjintjelaar

Joel Tjintjelaar hat eine Methode entwickelt, um Schwarz-Weiß-Fotografien eine besondere Tiefe zu verleihen, wie sie nur durch aufwendige Bildbearbeitung möglich ist.

Pathenon in Rom – Fotografiert und bearbeitet von Joel Tjintjelaar
Samuel Beckett Brücke Dublin – fotografiert und bearbeitet von Joel Tjintjelaar
Joel Tjintjelaar ist Holländer indonesischer Herkunft (das Foto stammt nicht von mir!)

Verfremdung von Fotos

Joel hat sich sehr intensiv damit beschäftigt, wie man Fotos kreiert, die sich deutlich von der Wirklichkeit abheben. Er möchte sprichwörtlich phantastische Fotos erstellen. Fotos stellen nie die Wirklichkeit dar:

  • Fotos sind zweidimensional
  • Fotos zeigen nur einen Ausschnitt

Zur weiteren Verfremdung führt Joel weiter aus….

  • Durch Langzeigaufnahmen verwischen Himmel und Wasser
  • Das Konvertieren in Schwarz-Weiß ist ein weiterer Schritt, um sich von der Wirklichkeit zu entfernen
  • Durch umfangreiche Nachbearbeitung in Photoshop werden Kontraste und Hellligkeitsverläufe gezielt verstärkt oder geschwächt – und zwar auf einzelne Bildbereiche. Es geht darum, dem Hauptmotiv mehr Tiefe zu verleihen und es von der Umgebung besonders stark abzuheben.

Hat das noch etwas mit Fotografie zu tun?

Ja! Das hat es! Selbst Anselm Adams hat seine Schwarz-Weiß-Abzüge im Labor umfangreich nachbearbeitet. Und Anselm Adams ist einer der renommiertesten Fotografen der Geschichte, der sich durch die Entwicklung des Zonensystems einen Namen gemacht hat. Das was er damals in der analogen Dunkelkammer geleistet hat, wird heute mit Bildbearbeitung am Computer erledigt.

Es geht bei der Bildbearbeitung, wie Joel sie ausführt, nicht darum, den Inhalt des Fotos zu verfremden, indem man Dinge hinzufügt, entfernt, verformt oder verschiebt. Es geht darum, partiell neue Kontraste und Helligkeiten zu setzen.

Was braucht man?

Das Wichtigste ist Leidenschaft – Leidenschaft für diese Art der Fotos. Nur wenn man begeistert ist von den Fotos von Joel Tjintjelaar und den Wunsch hegt, ebenfalls solche Fotos zu gestalten, wird die Geduld haben, ich in diese Materie einzuarbeiten.

Da kommen wir auch schon zum nächsten Punkt – Zeit & Geduld. Ja, man braucht viel Zeit, um sich einzuarbeiten. Joel ist in seiner Arbeit äußerst präzise. Er hat einen sehr hohen Anspruch an die Qualität seiner Arbeit – er ist ein Perfektionist. Er arbeitet zum Teil über mehrere Wochen hinweg an einem Foto. Die Fotos sehen toll aus und lassen kaum erahnen, wieviel Arbeit dahinter steckt. Nur wer bereit ist, viel Zeit und Geduld zu investieren, wird Erfolg haben.

Ansonsten benötigt man folgende Ausstattung:

  • Eine Kamera mit Weitwinkelobjektiv mit der Möglichkeit, Filter davor zu schrauben (auch für Weitwinkelobjektive ohne Filtergewinde gibt es zum Teil Lösungen).
  • Idealerweise 3 ND-Filter zur Reduktion der Lichtaufnahme
    • ND 0.9 (8x) – Reduktion um 3 Blendenstufen
    • ND 1.8 (64x) – Reduktion um 6 Blendenstufen
    • ND 3.0 (1000x) – Reduktion um 10 Blendenstufen
  • Ein stabiles Stativ
  • Einen Fernauslöser (mit Kabel oder kabellos oder eine App)
  • Adobe Photoshop
  • Einen guten großen Monitor
  • Idealerweise Artisan Pro X – Photoshop-Plugin von Joel Tjintjelaar

Meine Ausrüstung ist folgende:

  • Kamera: Panasonic Lumix S1R – 47 MP
  • Objektive: Panasonic Lumix 14-28mm F4.0-5.6 & Panasonic Lumix 24-105 F4.0
  • Filter wie oben beschrieben von der Firma HAIDA „Ultra Slim NanoPro Magnetic“. Diese Filter lassen sich magnetisch am Objektiv anbringen und über diesen Mechanismus auch gut stapeln. Die Filter sind von sehr hoher Qualität und dabei preislich noch im Rahmen.
  • Stativ von Gitzo Modell GK1545T mit Kugelkopf GH1382TQD
  • EIZO CS2740 ColorEdge (4K, hardwarekalibrierbar)
  • Photoshop & Artisan Pro X

Wie geht man vor?

Hier beschreibe ich in sehr groben Schritten, wie das Vorgehen zur Erstellung dieser FineArt-Schwarz-Weiß-Bilder ist:

  • Suchen eines Motivs und Prüfen, wie die idealen Lichtverhältnisse sein könnten.
  • Fotografieren des Objekts bei passenden Licht- und Wetterverhältnissen.
    • Suchen des passenden Ausschnitts ohne Stativ. Wenn der Ausschnitt gefunden wurde, erfolgt das Positionieren der Kamera auf dem Stativ.
    • Man wählt das Belichtungsprogramm A, dann die Blende zwischen 5.6 und 11, den ISO-Wert auf 100 und liest die Zeit ab. Die Werten könnten z.B. sein Blende 8.0 bei einer Belichtungszeit von 1/60 sec. Man möchte aber auf eine Belichtungsdauer von 5 – 7 Minuten kommen. Über eine App kann man ausrechnen, welche ND-Filter man benötigt. Ich verwende hierzu die App „PhotoPills“, die jede Menge Werkzeuge für Fotografen enthält. Ein Beispiel zur Apps s. weiter unten.
    • Man wählt den Fokus zum Scharfstellen und stellt den Fokus anschließend auf manuell, damit sich dieser nicht mehr verändert.
    • Nun stellt man die Kamera in den manuellen Betrieb, sodass man Zeit und Blende manuell einstellen kann. Die Zeit muss man soweit hochdrehen, bis man im „B“ / „Bulb“-Modus landet. Die Belichtung wird so lange ausgeführt wie man auf den Auslöser drückt. Dafür braucht man ein Fernauslöser Kabel mit einrastendem Schalter oder auch eine App (für meine Kamera gibt es von Panasonic eine App, die einen Fernauslöser enthält).
    • ISO (möglichst niedrig) und Blende stellt man gem. Berechnung der App ein.
    • Wenn die Kamera und/oder das Objektiv über einen Bildstabilisator verfügen, ist dieser vollständig abzuschalten.
    • Den Rauschfilter bei Langzeitbelichtung (Dark Frame) schaltet man besser ab, sonst verdoppelt sich die Dauer der Aufnahme.
    • Dann schraubt man die berechneten Filter vor das Objektiv und startet die Aufnahme. Man muss die Dauer der Auslösung mit einer Stoppuhr messen und die Aufnahme stoppen, wenn die gewünschte Zeitdauer erreicht ist.
  • Erstellung von 2-4 Fotos.
  • Zu Hause Sichten der Fotos und Auswahl des bevorzugten Fotos.
  • Erste Bildbearbeitung z.B. in Adobe Lightroom (evtl. Entrauschen, dann Zuschneiden, Entfernen von Flecken, Belichtung und Tonalität anpassen)

Photopills – Berechnung der Belichtungseinstellungen

Hier ein Beispiel, wie man sich per App die Belichtungseinstellungen berechnen lassen kann. Ohne Filter und eingestellter Blende von 8.0 sowie einem ISO-Wert von 100 erhält man eine Belichtungszeit von 1/60s zur korrekten Belichtung des Fotos. Möchte man jedoch eine Zeit zwischen 5 – 7 Minuten erreichen, muss man die Blende auf 5.6 und den ISO-Wert auf 160 stellen. Dann erhält man bei Verwendung eines ND 3.0 in Kombination mit einem ND 1.8 eine Belichtungszeit von 5 Minuten und 41 Sekunden.

  • Man lädet das Foto dann von Lightroom direkt in Photoshop und führt hier die entscheidenden Schritte der Bildbearbeitung durch, wie sie von Joel Tjintjelaar gelehrt werden:
    • Analyse des Fotos – Was ist das Hauptmotiv? Was ist der Hintergrund?
    • Maskieren von Hintergrund und Hauptmotiv und ggf. weitere Maskierungen innerhalb des Hauptmotivs.
    • Durchführen von Anpassungen von Kontrast und Helligkeitsverteilung, vor allem Hervorheben des Hauptmotivs

Ich kann hier keine vollständige Anleitung geben, da die Bearbeitung doch relativ komplex ist und situationsbedingt unterschiedliche Vorgehensweisen erfordert.

Empfehlenswerte Kurse

Wer sich intensiver mit der Technik auseinandersetzen möchte, bekommt auf der Homepage von Joel Tjintjelaar einige Videokurse, von denen ich folgende gekauft habe. Ich kann diese Videos sehr empfehlen.

Zwei Videokurse im Bundle – Hier erfährt man das Wichtigste zum Thema „Maskieren“ sowie zum Workflow der Schwarz-Weiß-Bearbeitung

Zudem ist das Photoshop-Plugin Artisan Pro X unbedingt zu empfehlen. Es erleichtert den Workflow ungemein.

Artisan Pro X – Ein Plugin für Photoshop

Weiterhin zu empfehlen ist folgendes E-Book:

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